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möglichkeitsräume

    einführung
    michael hofstätter / PAUHOF / 15.11.2012

    meine damen und herren!

    es freut mich, mit einleitenden worten zum eröffnungsfest der ausstellung ‚möglichkeitsräume’ der architekten maria flöckner und hermann schnöll beitragen zu dürfen.

    meine erste, reale begegnung mit einem werk von flöckner schnöll gab es 2008.
    damals war ich mitglied der jury des architekturpreises salzburg und hatte das glück, deren haus in adnet vor ort unmittelbar zu erleben, die raumqualitäten zu erfahren und das konzept zu studieren. die jury einigte sich schnell und der architekturpreis salzburg 2008 ging einstimmig zugunsten dieser außergewöhnlichen architektur. inzwischen wurde das haus vielfach auch international publiziert und von namhaften autoren dessen tiefgründigkeit kombiniert mit kraftvoller präsenz gewürdigt.

    2010 berief man mich wieder nach salzburg in die jury zum geladenen gutachterverfahren ‚wohnen am altenbach’. flöckner schnöll präsentierten eine art wohnregal mit vertikalen gärten, das sich dezent vom boden eines parkähnlichen grundstücks - mit beeindruckendem baumbestand und einem begleitendem wasserlauf - absetzt. auch bei diesem verfahren war die jury der auffassung, dass föckner schnöll ein sehr innovatives projekt gelungen sei, das neue wohnmöglichkeiten generiert und diese in struktur und erscheinungsbild klar zum ausdruck bringt. aber diesmal befürchtete man schon im voraus pragmatische probleme, die einer baldigen realisierung im wege stünden. systemfragen überwogen die neugierde auf eine prozesshafte weiterentwicklung eines neuen wohnmodells mit noch offenen möglichkeiten. für mich stellte sich nicht nur damals die frage, ob die konventionellen, verrechtlichten wettbewerbsrituale mit ihren vordefinierten raumprogrammen ernsthafte innovationen mehr behindern denn befördern. mit scheinbar gerechten, zweifelhaften qualitätskriterien folgenden vergabeverfahren, den engen förderungsbestimmungen, den normativen energieausweisen, .... wird nur institutionelle macht ausgeübt, die die bewohner als subjekte konstituiert, ja diszipliniert. konkret bedeutet das, dass die wohnungen in altenbach denen am wiener nordbahnhof zu gleichen haben.
    gesucht wird nur eine formale antwort auf ein programm – sonst nichts – nicht die absicht, das wissen, dass jedes  bauwerk den menschen zu dienen hat – „nicht ein haus, sondern das haus zu bauen“ (l. kahn).

    wer einen architekten beauftragt, muss wissen, dass dieser, wenn er seine profession beherrscht, mit räumen operiert - ein denkmodell in gebaute realität transferiert. das von flöckner schnöll jüngst fertiggestellte haus t ist so ein in architektur gesetztes denkmodell, das gegensätze zur deckung bringt und unsere sehnsucht nach einer einheit von haus und landschaft, nach einer kulturlandschaft, nach einem erregenden ganzen wirklich empfinden lässt. das raumgefüge in seiner materialität scheint dem wesen nach eher der anonymen, aus dem ort gewachsenen baukultur verpflichtet. verweisen möchte ich bei dieser gelegenheit auf die zeitlosen, einer klaren typologie folgenden häuser von heinz bienefeld im rheinland ... auf die rohen, aber sehr poetisch konzipierten sichtbetonhäuser von paulo mendes da rocha in brasilien ... auf anton schweighofers turmhaus in st. andrä-wördern, das einer strukturellen geometrie folgt, zugleich eine poetische/ einfache atmosphäre ausstrahlt und mit verblüffender selbstverständlichkeit am rande eines gärtnereiareals liegt. all diese häuser interagieren mit dem je eigenen landschaftsraum, schöpfen ihre architektonische kraft aus einer eigenen räumlichen logik, sind voller eigenwilliger details, die nie zum manierierten selbstzweck verkommen, sondern immer teil des gesamten bleiben und das wohlbefinden der bewohner steigern.
    maria flöckner war übrigens schülerin von prof. schweighofer und scheint gewisse wesenszüge von schweighofers architekturdenken verinnerlicht zu haben.

    seit der gründung ihres büros haben flöckner schnöll an unzähligen wettbewerben teilgenommen, wenige aber exemplarische bauten realisiert und die rezeptionswürdigkeit ihrer werke in ausstellungsbeteiligungen bewiesen.

    jetzt im künstlerhaus - bei ihrer ersten einzelausstellung - nutzten sie die möglichkeit, das schaffen des büros retrospektiv und gleichzeitig mit eingriffen vor ort eine temporäre, aber ebenbürtige auseinandersetzung mit architektur zur diskussion zu stellen. die ausstellung ‚möglichkeitsräume’ könnte basis und ansporn für zukunftsfähige, größere realisierungen werden und den architekturdiskurs befördern.
    wenn man den ausstellungsraum betritt, entsteht vorerst der eindruck einer rauminstallation, die auch von einem künstler stammen könnte. ein raum mit acht abgehängten, zylindrischen schirmen - drei mit großen, fünf mit kleinerem durchmesser - und zwei 15 cm weite löcher in den wänden, diagonal angeordnet, in augenhöhe. für irritation sorgt die hängung der schirme – ebenfalls in augenhöhe – mit den verspiegelten oberflächen. der betrachter reflektiert sich, sieht die anderen und den raum verzehrt. erst wenn er sich bückt, in den ring taucht, findet er repräsentative darstellungen von werken des architektenduos. einerseits ist die nun einzelne person drinnen – mit dem kopf - und andererseits bleibt der körper - unterhalb der schultern – draußen, bleibt teil der vielen. mit den beiden kernbohrungen verhält es sich ähnlich und doch ganz anders. voyeuristisch, von den nachbarn unbemerkt, beobachtet der einzelne ausstellungsbesucher das geschehen im angrenzenden raum und wird dabei vom ausstellungspublikum beobachtet.
    eine - dem ersten eindruck nach formal sichere - raumgestaltung entpuppt sich bei näherer betrachtung als prekäres system für den betrachter. er wird zum akteur -  dynamisiert eine vorerst statische artifizielle raumsituation. es konstituiert sich also wieder konkrete architektur.
    ich möchte auf scheinbar ähnliche - im endeffekt doch sehr differente - strategien der kunst hinweisen, z.b. auf die raumkonzepte von bruce naumann. seine - meist betretbaren - skulpturen / korridore zwingen den betrachter / begeher in beklemmende raumkonstrukte. bruce naumann operiert mit direkten erfahrungen der angst und damit mit der existenziellen verfasstheit des menschen. seine räume wirken unvermittelt. sie mutieren zur autonomen kunst. der architekt dagegen hat dem menschen im alltag zu dienen, er agiert heteronom, hat aber seine eigenen künstlerischen rechte.

    das thema architektur versus kunst spreche ich auch deshalb an, weil wir uns hier im kontext der kunst befinden – im künstlerhaus – das jüngst von maria flöckner und hermann schnöll umgebaut und substantiell neu geprägt wurde.

    wien, 14. november 2012 / michael hofstätter


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