von: david strohm / nzz am sonntag / 3.2.2008
das architektenduo flöckner schnöll hat im salzburgerland «einen unterstand mit glasvorhang» geschaffen. zwischen zwei grossen platten breitet sich grosszügiger wohnraum aus.
ein «haus an einem beliebigen ort», so bescheiden charakterisieren maria flöckner und hermann schnöll ihr kleines meisterwerk im adneter riedl, einem lieblichen flecken im hinterland von salzburg. «47°40’48”n/ 13°8’12”e» haben die beiden österreicher ihr projekt genannt und damit den bauplatz exakt benannt, dessen umgebung einmalig, aber auch austauschbar durch andere landschafts-, stadt- oder ortsbilder ist.
dieses haus, meinen die architekten, «könnte genauso gut an anderer stelle stehen». so beliebig gewählt das grundstück sein mag – eine abseits gelegene wiese in der zersiedelten landschaft -, das für ein unternehmerpaar erstellte wohnhaus passt sich dem ort durchaus an. der grundriss des flachbaus orientiert sich an der parzellengrenze, der standort der liegenschaft erlaubt aus- und fernblicke auf ein besonderes panorama.
luftiger vorhang
im innern des hauses fallen die neun identischen module aus holz auf, die ganz unterschiedliche funktionen erfüllen. sie dienen als raumteiler oder als stauraum. zudem umhüllen sie stützen aus stahl, die wiederum das weit ausladende dach aus sichtbeton tragen, das in der mitte mehr als einen meter dick ist. der boden besteht innen wie aussen aus geschliffenem gussasphalt. die umlaufende glaswand erscheint wie ein luftiger vorhang vor den wohnräumen. bei bedarf lässt sich ein echter vorhang aus raschelgewirk vor die fenster ziehen.
aus rohem, wasserdichtem sichtbeton realisiert ist auch das schwimmbad, ein 16 meter langer und 2,30 meter breiter kanal. beim bau des pools wurde dem beton ein kristallbildendes mittel zugesetzt. mittels osmose dringt diese kristallformation in die kapillaren, was den werkstoff resistent gegen wasserdruck und aggressive chemikalien macht. «dieser prozess ist katalytisch. die kristallbildung kann viele jahre nach der herstellung reaktiviert werden, um kleine risse, die später im beton entstehen können, wieder abzudichten», sagt eugen schuler, leitender ingenieur der gruppe bau dornbirn (gbd).
bei der haustechnik fiel der entscheid für die beheizung mittels sole- wasser-wärmepumpe, deren regelung witterungs- bzw. temperaturgesteuert arbeitet. für die fussbodenheizung, die zuluft-erwärmung und die pool- heizung sind eigene regelkreise angelegt. die sonne und abwärme aus elektrischen geräten heizen die einzelräume zusätzlich. eine kontrollierte be- und entlüftung des gesamten wohnbereichs garantiert komfort und tiefen energieverbrauch.
während sich die bauherrschaft vom weiten horizont fasziniert zeigte, legten maria flöckner und hermann schnöll mit dem ungewöhnlichen einfamilienhaus den fokus auf das nahe. die jahreszeiten, wechselnde lichtverhältnisse, die witterung mit sonne und wolken, wind und sturm, nebel und regen werden in der schützenden behausung spürbar. die kosten für den bau des mit 558 m2 nutzfläche und 230 m2 wohnfläche grosszügigen anwesens betrugen umgerechnet rund 1,5 mio. fr., die bauzeit knapp 8 monate.
abgehobene platten
im innern des offenen hauses, das ohne eigentliche zimmer auskommt, dominieren hell und dunkel. viel licht tritt von aussen rein, doch böden, wände und selbst die möbel sind zumeist in schwarz gehalten, die auf 2,80 metern höhe schwebende zimmerdecke ist aus grauem sichtbeton. das edle, aber nüchterne interieur soll nach dem willen von flöckner und schnöll die umgebung betonen, das grün der weide, die bäume des nahen waldes, der blick auf die umliegenden bergrücken und in die weite des tals.
von aussen wirkt dieser gegenentwurf zum konventionellen einfamilienhaus gedrungen. in den leicht geneigten hang fügt es sich ein und bleibt doch waagerecht. wie bei einem sandwich halten die beiden herausragenden platten den wohnraum fest. ein gebäude, das sich von der umgebung nicht beeindrucken und beeinflussen lässt.