17-22 // mozarteum salzburg – neue foyers // umbau und erweiterung / xi/2017-x/2022 / bauherr: internationale stiftung mozarteum / adresse: schwarzstrasse 26-28, a-5020 salzburg.
„wenn es einen wirklichkeitssinn gibt,“ schreibt robert musil in seinem roman der mann ohne eigenschaften, „muss es auch etwas geben, das man möglichkeitssinn nennen kann. wer ihn besitzt, sagt beispielsweise nicht: hier ist dies oder das geschehen, wird geschehen, muss geschehen; sondern er erfindet: hier könnte, sollte oder müsste geschehen; und wenn man ihm von irgendetwas erklärt, dass es so sei, wie es sei, dann denkt er: nun, es könnte wahrscheinlich auch anders sein.“
EIN HAUS WILL SICH NEU MIT DER STADT VERBINDEN
zwischen salzachraum und den historischen stadtgärten des schlosses mirabell wird ein schmaler, lichtdurchfluteter fugeraum zum mittler zwischen stadt und den beiden häusern des mozarteums. behutsam wurde ein minimales raumkonstrukt, ein gewebe aus stahlbändern und glasfeldern, zwischen beiden häusern eingehängt. so konnte ein neu gefasster „stadtraum“ gestaltet werden, von wo das kulturelle leben des mozarteums in die stadt ausstrahlt.
als ausgangssituation für das 2017/18 durchgeführte, dreistufige wettbewerbsverfahren war für die projektanten von der landeskonservatorin des bundesdenkmalamtes die einordnung des ensembles und ihre wertigkeit im städtischen gefüge formuliert: „der bauplatz ist städtebaulich als auch denkmalfachlich höchst sensibel. das mozarteum befindet sich im gebiet des salzburger weltkulturerbes und grenzt an die unter denkmalschutz stehenden barocken wehrmauern mit daran anschließender gartenanlage des schlosses mirabell. ein neues verbindungsbauwerk zwischen den bestehenden gebäuden kann aus sicht der denkmalpflege im sinne des weiterbauens sowohl städtebaulich als auch für das erscheinungsbild des mozarteums einen zeitgemäßen akzent setzen und in den städtischen raum wirken. hingegen ist eine ausgeprägte dominanz des neuen baukörpers sowohl im stadtgefüge als auch im kontext der bestandsgebäude und auf grund verschiedener gesetzlicher bestimmungen (denkmalschutzgesetz, salzburger altstadterhaltungsgesetz, unesco welterbe) nicht denkbar.“
das weiterbauen am denkmal bedurfte zuerst der klärung des fugenraumes zwischen konzerthaus und lehrgebäude. unser entwurfsansatz sah vor, nach wegnahme des sperrenden hofbauwerkes einen durchgehend offenen, durchsichtigen foyerraum an der schnittstelle beider stadträume zu den historischen baubeständen verbindend wirksam werden zu lassen.
verbindung zu erschaffen durch offenheit ist ein paradoxon: das bauliche instrument dazu, eine begehbare, räumliche struktur aus glas und stahl, lässt das licht bis auf den boden der stadt fluten – es öffnet den raum zur stadt hin, ein kleines stück der vision eines centre pompidou für musik.
die offenheit des fugenraumes zu bewahren konnte durch die integration der dienenden räume an verschiedenen anderen schlüsselstellen des historischen bestandes erreicht werden, beispielsweise durch die unter niveau gelegte künstlergarderobe am atrium an der bastionsmauer oder durch den treppenweg an der nahtstelle von fuge und lehrgebäude. das begehbare instrument kann so auf lichtdurchfluteten ebenen den wandelnden besuchern ein ort der begegnung sein, als perspektive für ein offenes haus.
die zarte konstruktion aus weißglas und geölten schwarzstahlbändern ist zwischen die bestandshäuser eingehängt und nur punktuell aufgelagert. über die vertikalen stahllisenen zwischen den historischen wandöffnungen werden die am mittelgrat versetzt zusammenlaufenden horizontalbänder gleich einer mittelnaht verknüpft. der duktus des daches und des glasbodens bildet eine blattachse, von welcher die seitenbänder abzweigen und den unterschiedlichen rhytmus der bestandfassaden abbilden. die naturoberfläche der stahlbleche verstärkt die organische physis der grate und bänder, eine referenz auf den außencharakter des gebäudezwischenraumes.
die bauliche struktur gliedert den fugenraum in zwei halböffentliche, übereinander liegende „stadträume“, einem feld auf stadtniveau als größtmöglich zusammenhängende fläche und darüber einem sich in die freiräume fortsetzenden, über sieben meter hohen raumvolumen auf konzertsaalebene zwischen unterschiedlichen stadtatmosphären.
IN DER STADT DAS STADTFOYER
das stadtfoyer wirkt gleich einem zuschauerraum mit verschiedenen spielstätten als darbieter ringsum. großer saal, wiener saal, gesangsräume, liedertafel, schlaraffia, … später vielleicht auch hörmuscheln mit live-übertragungen als lokale klangintervention (hausmusik) wirken in diesem sozialen raum.
als lounge im stadtparterre lässt sich das stadtfoyer nach beiden stadtseiten großzügig über die gesamte breite öffnen und kann so sommerwärts in der stadt aufgehen. das niveaugleich angebundene bestandsentrée mit historischer garderobe wird nutzungsunabhängiger als heute und ist als teil des gemeinsamen bereiches für besuchende, studierende, interessierte auch als ort der informellen begegnung oder als ausstellungsraum nutzbar.
zusätzlich erweitert sich das stadtfoyer zu einem kleinen atriumfoyer ins tiefgeschoß vor den neuen nassräumen. durch die reorganisation der nebenräume samt barrierefreier lifterschließung wird auch dieser foyerbereich über die gläserne decke an die stadtebene angeschlossen und großzügig natürlich belichtet.
AN DEN GÄRTEN DAS GROSSE FOYER WIE UNTER FREIEM HIMMEL
auf der ebene des großen saales erweitert sich die raumstruktur zu einer art raumgalerie zwischen bastionsgarten – abschluss des heckentheaters – und stadtseitig als terrasse auf der schwarzstraßenarkade mit mönchsbergblick.
der raum verbindet sich über den kristallin-floralen glasboden direkt mit dem darunter liegenden stadtfoyer, aber auch indirekt über die rechte konzerthaustreppe mit neuer, großzügiger sichtverbindung, vor allem aber über die neue treppenfigur der wiener treppe, welche sieben höhenversetzte niveaus in beiden häusern erschließt.
das historische buffet konnte erhalten und wieder in das große foyer eingebunden werden.
vom großen foyer aus führt die bewegungsschleife des flanierenden über die eine schmale fuge zur bastion überspannende glasterrasse auf den bastionsgarten mit sicht über das heckentheater zum schloss mirabell und über die gärten wieder auf die stadtebene, womit sich eine neue, stadträumlich durchgängige verbindungsequenz zwischen mirabellgarten und schwarzstraßenarkade auftut.
LÖSUNGEN ZWISCHEN ATMOSPHÄRE UND MATERIAL/TECHNOLOGIE
deckenblatt stahl aus rohstahlsandwich-hohlelemente mit hochwirksamer vakuumdämmung bzw. glas-tafelbelag. deckenblatt untersicht aus geölten schwarzstahlplatten mit sichtbaren zunderschattierungen. entspiegeltes weißglas mit hoher durchsichtigkeit. deckenblatt glasfelder und terrassenfelder aus mehrschichtigem glasaufbau aus klar- und strukturglas mit rutschfester deckschicht aus an der oberfläche aufgebrochenem ICE-H strukturglas, welches in alter verfahrenstechnik durch aus der oberfläche ausgelöstem glasmaterial hergestellt wird. schallschutz durch transparente microsorber-schallschutzfolien in allen glasdeckenfeldern und weiche schallabsorbende akustikpads im bereich der abbruchfassaden. grauer fassadengrobputz (bestand) an den innenwandflächen der foyers. boden stadtfoyer und toilettenfoyer aus geschliffenem, terrazzoähnlichem betonestrich mit salzach-schotter-steingemisch. bastionsgarten und tiefer garten nach dem gestaltungskonzept von barbara bacher mit üppig bepflanzten grüninseln auf wassergebundenem parkboden; dazu im bastionsgarten baumbänke um das denkmal lilli-lehmann-linde und die alte akazie, während im tiefen garten eine sitzstufenanlage den topographiesprung gestaltet. natürliche belüftung und kontrollierte abbluftführung in der vertikalen stahllisenenkonstruktion als unterste horizontale raumschicht (0-3m) mit gelasert durchbrochenen stahlplattenabdeckung. allgemeine leitungsführung und vernebelungsanlage in den seitlichen leibungsvertiefungen der stahlsandwichkonstruktion verborgen. natürlicher sonnenschutz durch den angrenzenden baubestand (ziegelbau) und klimatisierung durch nutzung von wärmeschichtungen im raum.
klima- und energiekonzept
text: stefan holst, transsolar
das klima- und energiekonzept für die gläserne fuge zwischen den beiden gebäudeteilen des mozarteums ermöglicht die beibehaltung höchster transparenz durch optimierte verglasungsqualitäten in dach und fassaden, die ausnutzung vorhandener baulicher und natürlicher verschattung durch gebäude und baumbestand, intelligente nutzung natürlicher querlüftung zur entwärmung und ein in die architektur integriertes klima- und lüftungskonzept, welches ohne einschränkungen der architektonischen gestaltung des innenraums effiziente und behagliche raumklima-konditionierungssysteme integriert.
das entwickelte konzept setzt auf selektive verglasung im dachbereich, hochtransparente gläser in den fassaden mit einem teiltransparenten, temporären theatervorhang, natürliche querlüftung über öffnungsflügel unter ausnutzung der sich einstellenden thermischen schichtung in den bis zu 7 m hohen räumen in kombination mit in die statische struktur integrierten konvektiven umluftkonvektoren zum heizen und kühlen, die einen hohen strahlungsanteil aufweisen und mit geringen luftgeschwindigkeiten und daher sehr leise operieren.
die frischluft wird über vertikale kanäle aus der zentrale zu den in die stahlstützen integrierten quellluftauslässen geführt. die abluft wird jeweils im oberen bereich gesammelt und zu den zentralgeräten zurückgeführt.
durch die bodennah eingebrachte kühlere frischluft wird eine optimale luftqualität gewährleistet, zugerscheinungen vermieden und eine thermische schichtung der raumluft in dem hohen raum erreicht, wodurch wärmelasten von personen, sowie kunstlicht effizient abgeführt werden können. über automatisch gesteuerte natürliche lüftungsklappen wird eine freie querlüftung zur natürlichen entwärmung der im sommer warmen luft im oberen luftvolumen genutzt.
die bereits durchgeführten, dynamischen analysen des thermischen verhaltens der beiden ebenen der glasfuge zeigen auch unter den kurzzeitig sehr hohen belegungsdichten bei veranstaltungen einen sehr guten thermischen komfort bei hervorragendem stadt-ausblick für die besucher sowohl im winter, als auch im sommer und in den übergangsperioden. die versorgung der glasfuge erfolgt über lüftungsanlagen im untergeschoss und die bestehende heizungs- und kälteversorgung, der zusätzliche energiebedarf für lüftung und raumkonditionierung der neuen glasfuge hält sich in einem angemessenen rahmen und kann über effizienzmaßnahmen in den bestehenden gebäuden gesamtenergetisch erwirtschaftet werden.
team
maria flöckner und hermann schnöll / architektur
gbd zt – eugen schuler, sebastian gopp, bruno beck / tragwerksplanung
transsolar – stefan holst, martin engelhardt / klimaengineering
tb burggraf – christian ferchenbauer / hkls-planung
podpod design / lichtplanung
müller-bbm / akustik
barbara bacher / landschaftsplanung
andreas mozelt / projektsteuerung, bauleitung (öba)
internationale stiftung mozarteum / bauherr
pichler projects, bozen / stahl- und glasbau
doll bau, seekirchen / baumeisterarbeiten
glas marte, bregenz / produktion bodenglas ice-h
metallbau saller, bischofshofen / stahlportale im bestand
schlosserei windhager, neumarkt / schlosserarbeiten
tischlerei wallinger, st. koloman / holztüren und -fenster
erich reichl, salzburg / steinmetzarbeiten, restaurator
ziegler schallschutz / schallabsorber
hsg schattauer, golling / heizung/klima/lüftung/sanitär
accuro sonderlöschanlagen, mondsee / hochdruck-vernebelungsanlage
terrazzo wagner, salzburg / terrazzoarbeiten
rezeption
2024 | / | der bauherr:innenpreis 2023 (ausstellung im architekturhaus salzburg) |
2023 | / | bauherr:innenpreis ’23 – zentralvereinigung der architekt:innen österreichs (müry salzmann verlag) |
2023 | / | tradition und moderne (kultur und baudenkmal / 12/2023) |
2023 | / | neu auf „nextroom“ (stoA kurzvorträge im architekturhaus salzburg) |
2023 | / | bauherrenpreis 2023 – qualitätvolle räume zum leben und arbeiten (ausstellungszentrum im ringturm) |
2023 | / | staatspreis architektur 2023 des bundesministeriums für arbeit und wirtschaft (pressemeldung der stiftung mozarteum, 8.11.2023 / laudatio) |
2023 | / | nominierung zum mies-van-der-rohe-award der europäischen union / miesarch.com |
2023 | / | andante grazioso zur fuge (tina mott / modulør, #4 2023 / text) |
2023 | / | nominierung zum österreichischen bauherrenpreis 2023 der zentralvereinigung der architekten |
2023 | / | archtour-stadt-salzburg.at / online-architekturführer der stadt salzburg |
2023 | / | turn on | architektur festival im radiokulturhaus wien / turn-on.at |
2023 | / | www.nextroom.at / architekturdatenbank azw |
2022 | / | neue mozarteum foyers, salzburg (roman höllbacher / architektur.aktuell, no. 513, 12.2022 / text de/en) |
2022 | / | mozarteum neu – ein haus will sich neu mit der stadt verbinden (weiterbauen am denkmal: internationale fachtagung / özkd lxxvi 2022 heft 4) |
2022 | / | neues foyergebäude der internationalen stiftung mozarteum (baubesichtigung der initiative architektur) |
2022 | / | 26. oktober: tag der offenen tür (erkundung der internationalen stiftung mozarteum / 26.10.2022) |
2022 | / | ein glasbau lässt mozartianer schweben (florian oberhummer / salzburger nachrichten / 19.10.2022 / text) |
2022 | / | mehr raum für mozart – die neuen foyers (festschrift der internationalen stiftung mozarteum / oktober 2022 / download festschrift) |
2022 | / | nur noch eine gemeinsame hausnummer (reinhard kriechbaum / drehpunkt kultur / 18.10.2022) |
2022 | / | mehr raum für mozart – das neue foyergebäude der internationalen stiftung mozarteum ist fertiggestellt (pressemeldung der stiftung mozarteum, 18.10.2022) |
2022 | / | mehr raum für mozart (sonderbeilage der salzburger nachrichten / oktober 2022) |